
Der Regen hatte sich grade verzogen, als Emma den schmalen Pfad durch das dichte Grün erreichte. Tropfen perlten noch auf den Farnen, und der Boden war weich unter ihren Schritten. Vor ihr rauschte er - der Wasserfall, den sie aus Kindheitserinnerungen kannte. und dort, auf dem großen Stein am Fuße des Falls, saß jemand.
Lukas.
Zwei Jahre sind vergangen, seit sie sich zuletzt gesehen hatten. Zwei Jahre voller unausgesprochener Wort, verpasster Nachrichten und der ständigen Frage: Was wäre gewesen, wenn..?
Er drehte sich um, als sie näher kam - ein kleines Lächeln auf den Lippen, das sie sofort wiedererkannte.
"Du bist gekommen", sagte er, fast ungläubig.
"Du hast gesagt, wenn ich jemals eine Antwort will, dann soll ich hier her kommen."
"Und du willst eine?", fragte er, leise. Der Wasserfall rauschte wie ein sanftes Tosen zwischen ihnen, als würde es jede Nervosität verschlucken.
Emme trat näher. Sie konnte die Gischt auf ihrer Haut spüren, das leichte vibrieren in der Luft, das nur ein Ort wie dieser hatte - wild und ruhig zugleich. Wie ihr Herz, das viel zu schnell schlug.
"Ich will keine Antwort", sagte sie schließlich. "Ich will wissen, ob du noch fühlst, was ich fühle."
Stille. Dann stand Lukas auf, trat einen Schritt näher und legte seine Stirn anihre.
"Ich habe nie aufgehört."
Und während hinter ihnen das Wasser tosend in die Tiefe fiel, fanden ihre Lippen zueinander - nicht mehr in Erinnerung, nicht mehr in der Vorstellung, sondern in der Gegenwart. Und die war endlich laut genug, um das Schweigen der letzten zwei Jahre zu übertönen.
Kommentar hinzufügen
Kommentare